Unbekannter Anrufer - 4. Folge
by Tamara Mataya
Was hast du mit mir vor?!
Bitte, ich habe dir doch nichts getan!
Öffne die Tür.
Bitte! Ich mach alles, was du willst!
SOFORT.
Und lass das Winseln sein, ich höre dich durch die Tür.
Das ist ja erbärmlich.
Kelly fummelt mit zitternder Hand eine Weile an der Kette herum, dann schafft sie es, die Tür aufschließen und zu öffnen.
Die Veranda ist leer.
Schau nach unten.
Wo bist du hin?
Ach, vermisst du mich etwa schon?
Wie süß.
Ich kann zurückkommen, wenn du möchtest.
Nein! Nicht!
Ich weiß nicht, wie du mich gefunden hast, aber ich flehe dich an: Geh weg.
Ich rufe auch nicht die Polizei.
LOLOLOLOL
Bist du wirklich so dumm?
Ich habe Bauchschmerzen vor Lachen. Ich STERBE!
Nein, halt, das war ja Violet.
Lass mich einfach in Ruhe!
Vor zwei Jahren.
Schau nach unten. Ich habe dir ein kleines Halloween-Geschenk auf die Türmatte gelegt.
Was ist in der Tüte? Gift?
Jetzt bist du einfach nur albern.
Um nicht zu sagen: unhöflich.
Unhöflich?! Du bist doch der Stalker, der ein blödes Spiel mit mir spielt und …
Ich habe dir ein Geschenk gemacht.
Es ist das ideale Kostüm für dich.
Nimm es mit rein und mach es auf.
Kelly gehorcht.
In der Tüte steckt dasselbe Katzenkostüm, das sie vor zwei Jahren auf dem Foto getragen hat.
Es ist steif von Violets Blut.
Sogar die weiße Perücke habe ich dir mit reingepackt!
Auch wenn die jetzt überwiegend rot ist von all dem Blut.
Woher hast du das?
Antworte mir!
WER BIST DU?!
Oh, gut. Es gefällt dir.
Ich hatte schon befürchtet, es würde dir nicht gefallen.
Ich habe es weggeschmissen!
Des einen Leid …
Zieh das Kostüm an.
Wenn du mir etwas antun willst, dann TU ES einfach!
Zögere es nicht hinaus!
Du bist nicht diejenige, die heute Nacht das Sagen hat.
Hör auf zu heulen und ZIEH -- ES -- AN.
Ich werde nicht noch einmal fragen …
Kelly zieht das Katzenkostüm über ihren Pyjama.
Ich habe es angezogen.
Lüg nicht.
Ich lüge nicht! Wie lange muss ich es anbehalten?
Weiß ich noch nicht. Eins nach dem anderen.
Ich will, dass du für mich miaust.
Wir wollen ja nicht auf unseren Spaß verzichten.
Das macht keinen Spaß, du Psychopath!
Wie fühlt es sich an?
Sieht so aus, als hättest du seit jener Nacht ein bisschen zugenommen.
Stress-Essen vielleicht? Tss, tss.
Es passt mir immer noch.
Dazu brauche ich mehr Details.
Mal mir ein Bild -- oder ich komme und schaue selber nach.
Der Stoff ist ganz steif.
Von ihrem Blut. SAG ES.
Der Stoff ist noch steif von ihrem Blut.
Von dem Blut, das DU vergossen hast.
Die Kleider, die du in die Mülltonne hinter eurem Wohnheim geschmissen hast.
Das kannst du nur wissen, wenn …
... wenn du in der Nacht dort warst. Du hast gesehen, wie ich die Kleider weggeworfen habe.
Deswegen weißt du das hier alles.
Jetzt begreifst du es allmählich …
Warum hast du damals nichts gesagt?!
Ich bin an der Reihe! Wie fühlt es sich an?
Diese Kleider wieder zu tragen?
Darauf habe ich eben geantwortet!
Nein. Da ging es um die Kleider selbst.
Ich will wissen, wie es sich EMOTIONAL anfühlt, die Kleider zu tragen, in denen du Violet getötet hast.
Wie soll ich das beantworten, zum Teufel nochmal?!
WAHRHEITSGEMÄSS.
Geh in dich. Lass uns emotional werden.
Wir beide sind jetzt mittendrin.
Ich hasse es.
Lass mich NICHT noch einmal fragen …
Ich fühle mich jetzt … dir sehr nahe.
Bitte, hör auf.
Mir wird übel, wenn ich an diese Nacht nur denke.
Du versuchst doch nicht etwa, einen Sympathiepunkt zu ergattern?
Die Vorstellung, dass irgendjemand Mitleid mit DIR hat, nach dem, was du getan hast …
Nein! Ich fühle mich scheußlich wegen dem, was passiert ist.
Der Abend hatte so schön begonnen und endete ...
Auf einer Brücke.
Wie? Du weißt, ich mag Geschichten …
Wir haben uns gestritten und sie ist aus dem Wagen gestiegen.
Sie meinte, sie geht lieber zu Fuß nach Hause.
Ja. Und dann bist du hinter ihr her und hast sie mit deinem Auto überfahren.
In jener Nacht war auch mein Leben zu Ende, weißt du das?
Du bist mit einem Mord ungestraft davongekommen.
DAVONGEKOMMEN nennst du das?!
Ich habe immer noch Alpträume von dem Geräusch, als sie auf das Wasser geknallt ist.
Gut. Ich hoffe, dein Gewissen hat dich gequält wegen dem, was du in jener Nacht getan hast.
Ich wollte das nicht! Erschrecken wollte ich sie. Ich schwöre bei Gott, ich wollte sie nur erschrecken.
Und wie?
Indem ich auf sie zurase. Ich weiß nicht, ich wollte einfach nur, dass sie wieder ins Auto steigt, damit wir nach Hause fahren können.
Ich wollte NUR den Motor aufheulen lassen.
Aber ich hatte zu viel getrunken und bin mit dem Fuß vom Bremspedal gerutscht.
Dann ist das Auto nach vorne gesprungen und hat sie erwischt.
Ich habe den Wagen gestoppt und bin ausgestiegen.
Ich habe gesehen, wie Violet halb von der Brücke hing.
Überall war Blut.
Ich habe ihren Puls geprüft, konnte aber nichts spüren.
Und dann bin ich in Panik geraten und habe sie von der Brücke ins Wasser geschubst.
Diesen Teil kenne ich.
Das WAS interessiert mich nicht.
Du hast doch gefragt.
Das hier ist keine Therapiesitzung, wo wir über dich und deine Gefühle reden.
Ich will, dass du nachvollziehst, wie es sich für SIE angefühlt haben muss.
Nicht körperlich, sondern emotional.
Ich verstehe nicht.
Wie hat es sich für Violet angefühlt, zu wissen, dass du sie hasst?
Ich habe sie nicht gehasst!
Getötet hast du sie!
Du hast selbst gesagt, dass du eifersüchtig auf sie warst.
Jeder hat sie geliebt.
Und damit konntest du nicht umgehen. Deshalb hast du sie getötet.
Ja, jeder mochte sie, und auch ich habe sie geliebt!
Es war ein Unfall!
Ach, wirklich?
Es war ein „Unfall”, dass du dein Verbrechen vertuscht hast, aber ...
Ich habe diese Art von Gefühl noch nie auf einer Grußkarte gesehen.
„Ich liebe dich so sehr, dass ich deinen Leichnam von einer Brücke schmeißen möchte.”
Nein, diese Version wird sich nicht durchsetzen.
Das reicht jetzt.
Kelly reißt sich das Katzenkostüm vom Leib und stopft es zurück in die Tüte.
Ich will das hier nicht mehr spielen.
ICH MACHE NICHT MEHR MIT BEI DEINEM VERKORKSTEN SPIELCHEN!
Spielchen? Glaubst du immer noch, das war ein Spiel?
Für mich war es nie ein Spiel.
Und wenn du das wirklich glaubst, dann bist du vielleicht zu dumm, um weiterzuleben.
Ohne dich wäre die Welt besser, Kelly.
Wir wissen es beide, da bin ich mir ganz sicher.
Von oben ist ein heftiges Poltern zu hören.
Was ist das? Bist du es?!
Bist du etwa in meinem Haus?!
Vielleicht ist es ja das Schlagen deines verräterischen Herzens …
Die Schritte kommen auf die Treppe zu.
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