Dunkle Materie - Folge 1
by Elyse Endick
Taz, wo bist du?!
Du wolltest schon vor einer Stunde auf der Halloween-Party sein.
Ich mache mir langsam Sorgen …
Und ich fühle mich dämlich, hier alleine herumzustehen …
Gekleidet wir ein Stück Toast.
Ohne die Avocado sieht dieses Kostüm lächerlich aus!
HALLO??!!
Hey, sorry, wo bist du?
Ich bin bei der Studentenverbindung – wo bist DU?
Im Wald in der Nähe des Sees.
Was?! Alleine?!
Nachts?
Ich fühle mich im Moment nicht so nach Party …
Das hättest du mir sagen können, bevor ich als Toast gekleidet in diesen Verbindungshaus auftauche!
Sorry. Ich … Ich vermisse Jasline.
Oh, Taz …
Es fühlt sich nicht richtig an, ohne sie Spaß zu haben.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es ist, eine Schwester zu verlieren.
Eine Zwillingsschwester.
Aber du musst versuchen, nach vorne zu blicken.
Jaz würde wollen, dass du glücklich bist. Du weißt das.
Es ist dein Abschlussjahr in Stanford. Du solltest feiern.
Du hast Recht.
Wenn Jaz hier wäre, würde sie uns beiden jetzt Shots einschenken.
Genau.
Aber das ist das Problem. Sie SOLLTE hier sein.
Seit dem Unfall sind schon sechs Monate vergangen, aber …
Es gibt noch so viele Dinge, die ich nicht verstehe …
Alles ging so schnell.
Nichts davon ergibt Sinn. Wie kann meine Zwillingsschwester tot sein?
Ich habe das Gefühl, dass ich vom Weg abgekommen bin.
Schick mir deinen Standort – Ich komme dich abholen.
Nein, nicht buchstäblich vom Weg abgekommen!
Oh …
Mein Leben lang habe ich versucht, meine Eltern glücklich zu machen …
Ich hatte gute Noten.
Ich ging nach Stanford.
Und jetzt bewerbe ich mich für ein Medizinstudium.
Genau das, was mir alle immer gesagt haben.
Aber Jaz sagte mir immer, ich solle meinem eigenem Herzen folgen.
Und was sagt dein Herz?
Das versuche ich herauszufinden …
Wie auch immer, ich bin bald da, versprochen. Wartest du auf mich?
Okay. Aber was machst du da draußen eigentlich?
Ich musste nur für einen Moment lang alleine sein.
Hier draußen fühle ich mich näher bei Jaz. Sie liebte den Wald.
Du bist in deinem Kostüm dorthin gewandert?
Japp. Siehst du?
Moment mal, was ist das?
Was ist was?
In der Ecke … dieser Schatten.
Jemand steht hinter dir.
Taz dreht sich ängstlich um, sieht aber nur Blätter, die im Wind rascheln.
Du machst mir Angst. Es ist niemand hier.
Bist du sicher?
Ich schwöre, dass ich in dem Bild, das du mir geschickt hast, jemanden sehe.
Taz sieht sich den Selfie, den sie gemacht hat, genauer an.
Es ist wahrscheinlich nur das Licht, das durch die Bäume fällt. Hier, ich mache noch einen.
Es ist jetzt direkt hinter dir!
Taz dreht sich um, ihr Herz rast.
Aber wieder sieht sie nur Bäume, die sich im heulenden Wind wiegen.
Taz läuft ein Schauer über den Rücken.
Okay, das ist wirklich komisch.
Niemand ist hinter mir.
Aber auf dem Foto sehe ich jemanden.
Vielleicht ist es ein neuer Snapchat-Filter für Halloween?
Ich habe mein Snapchat überprüft – ich habe keinen.
Taz, du musst da raus.
Jemand – oder etwas – ist auf jeden Fall hinter dir.
Taz ruft in die Dunkelheit und fragt, wer dort ist.
Stille.
Plötzlich lässt der Wind nach und die Luft um sie herum wird sehr still.
Taz schlägt das Herz wild in der Brust.
Sie atmet tief ein und lacht nervös.
Das ist albern. Es ist niemand hier.
Bist du sicher?
Es könnte ein Tier sein – letzte Woche wurde auf dem Campus ein Puma gesichtet.
Was auch immer auf diesem Foto ist, es sieht gefährlich aus.
Taz sieht sich das Bild erneut an.
Das Ding sieht nicht aus wie ein Puma …
Es sieht aus wie … eine Art Geist.
Taz, du bist bald Medizinstudentin. Eine Frau der Wissenschaft.
Geister.
Sind.
Nicht.
Real!
Naja, Jaz hat daran geglaubt.
Und sie ist nicht mehr hier.
Also muss ich für sie glauben.
Und außerdem … was, wenn es sie ist?
Wer?
Meine Schwester.
Taz … dieses Ding ist nicht Jaz.
Wie kannst du das mit Sicherheit behaupten?
Weil deine Schwester TOT ist.
Tut mir leid, aber das ist sie. Du musst das akzeptieren.
Warte – ich habe eine Idee.
Taz! Kannst du nicht einfach von dort weg?
Taz ignoriert Erik und öffnet Snapchat.
Sie wechselt zur nach hinten gerichteten Kamera und blickt durch das Objektiv.
Sie dreht sich nach links und rechts und inspiziert langsam den Wald um sie herum.
Und dann plötzlich, sie sieht ihn.
Einen gespenstischen, körperhaften Schatten mit großen glühenden Augen.
Er steht etwa eineinhalb Meter vor ihr. Und kommt näher.
Panisch lässt sie ihr Handy fallen, ihre Hände zittern und sie blickt mit bloßen Augen auf.
Nichts.
Langsam hebt Taz ihr Handy vom Boden auf und blickt wieder durch Snapchat.
Da ist er. Vor ihr schwebend.
Taz sieht genau durch ihre Snapchat-Kamera und dieses Mal …
Sie sieht Worte am unteren Bildschirmrand.
„Geister-Filter“
Taz macht einen Screenshot und schickt ihn an Erik.
In diesem Moment schreckt der Schatten auf und rauscht hinter einen Baum.
Es ist definitiv ein Geist.
DU MUSST SOFORT WEG VON DORT!
Nein, ich glaube nicht, dass er mir etwas tun wird.
Aber das ist so komisch –
Was?
Ich kann den Geist nur sehen, wenn ich durch Snapchat schaue …
Wenn ich ohne mein Handy schaue, ist er weg.
Und sieh dir an, was am unteren Bildschirmrand steht.
Geister-Filter …
Genau!
Also IST es Snapchat. Das muss ein neuer Halloween-Filter sein …
Vielleicht ist er nur für Mädchen verfügbar?
Das glaube ich nicht. Der Geist ist definitiv hier …
Ich habe gesehen, dass er sich bewegt und mich mit diesen Augen anstarrt … und …
Was?
Ich kann nicht es erklären, aber …
Ich kann SPÜREN, dass er hier steht, neben mir.
Das ergibt keinen Sinn.
Ich weiß, aber ich sage die Wahrheit.
Ich glaube dir. Deshalb musst du weg, JETZT.
Ich rufe die Polizei. Sie wird den Wald durchsuchen und verhaften, wer auch immer das ist.
Nein! Ruf' nicht die Polizei.
Warum nicht?!
Ich habe so ein Gefühl bei diesem Geist …
Was?
Lass' mich nur noch eine Sache versuchen.
Taz, nein. Wenn dir irgendetwas passiert …
Wird es nicht.
Deine Eltern haben gerade deine Schwester verloren. Sie können nicht auch noch dich verlieren.
Und ich kann dich auch nicht verlieren. Du bist meine beste Freundin.
Und es gibt da etwas, das ich dir sagen wollte …
Niemand wird mich verlieren.
Taz schließt ihren Chat mit Erik.
Und öffnet wieder Snapchat.
Die Schattenkreatur taucht hinter den Bäumen auf.
Sie blickt Taz direkt an und ihre glänzenden Augen leuchten in der Dunkelheit.
Dann huscht sie in den Wald.
Okay, ich glaube, ich soll ihr folgen.
Es sollte selbstverständlich sein, dass du das lieber nicht tun solltest.
Zu spät.
Sie führt mich in Richtung See.
Ich komme zu dir.
Nein. Noch nicht.
Ich möchte sehen, wohin sie mich führt.
Und der Preis für die schlechteste Idee des Jahres geht an …
Das Mädchen, das als Avocado verkleidet ist!
Taz folgt dem dunklen Waldweg, bis sie den See erreicht.
Dort hängt dichter Nebel über dem Wasser.
Die Lichter der nahen Laternen erzeugen ein unheimliches, ätherisches Leuchten …
Sie beginnt zu zittern – es ist plötzlich ungewöhnlich kalt.
Taz macht einen Snap des seltsamen Nebels.
Und sie erblickt den Schatten.
Sie folgt ihm auf dem Pfad, der sich um den See windet und durch den dichten Nebel.
Der Schatten führt sie zu einem alten Mammutbaum …
Taz schnappt ungläubig nach Luft.
Ihr Herz schlägt erwartungsvoll.
Ihre Augen füllen sich mit Tränen.
Jaz?
Als sie den Namen ihrer Schwester ausspricht, verschwindet der Schatten.
Taz, wo bist du?!
Erik … der Schatten hat mich zu unserem Baum geführt.
Es ist definitiv sie.
Welcher Baum? Wovon sprichst du?
Okay, das wird verrückt klingen.
All das ist schon lange verrückt.
Es gibt diesen Mammutbaum auf der anderen Seite des Sees. Das war Jaz' und mein geheimer Ort.
Du hast mir nie von einem Baum erzählt.
Geheimer. Ort.
Stimmt.
Wir haben uns darin gegenseitig kleine Zettel hinterlassen.
„Viel Glück bei deinem Test!“ oder „Hab' dich lieb!“
Erik, der Schatten hat mich hierher geführt.
Niemand sonst wusste von unserem Baum.
Nicht einmal du.
Das alles könnte nur ein Zufall sein.
Nein.
Ich glaube, dass Jaz versucht, mir etwas mitzuteilen.
Naja, ist da irgend etwas in dem Baum?
Ich glaube nicht …
Taz kriecht in den Baum und tastet herum.
Moment. Ich habe etwas entdeckt!
Was?
Es ist ein USB-Stick.
Okay, das ist wirklich komisch.
Da ist auch ein Zettel …
Erik. Es ist die Handschrift von Jaz.
Was steht drauf?
„Finde Dr. Montgomery.“
Wen?
Ich weiß es nicht. Ich kenne niemanden mit dem Namen Dr. Montgomery…
Warte …
Erinnerst du dich an diese Professorin, die in unserem ersten Jahr an der High School verschwunden ist?
Ja … die Polizei hat auf dem ganzen Campus nach ihr gesucht.
Nicht nur die Polizei. Das FBI.
In den Wäldern waren Leichensuchhunde unterwegs, die nach ihr suchten …
Aber sie haben nie etwas gefunden.
Sie haben ihre Leiche nie gefunden?!
Nein. Ich habe gerade gesucht und der Name dieser Professorin …
War Dr. Alexis Montgomery.
Ich verstehe das nicht. Warum würde Jaz mich bitten, eine Person zu finden, die schon so lange vermisst wird?
Ich weiß es nicht …
Aber das ist schon drei Jahre her, Taz.
Es ist unmöglich, dass sie noch lebt.
Das ergibt keinen Sinn …
Taz, was auch immer mit dieser Professorin passiert ist …
Es war sicherlich nichts Gutes.
Ich glaube wirklich, dass du von dort weg musst. Sofort.
Sie ist spurlos verschwunden.
Es muss einen Grund geben, warum Jaz möchte, dass ich sie finde …
Vielleicht ist die Antwort auf diesem USB-Stick?
Du hast Recht. Ich gehe in die Bibliothek, um mir das anzusehen.
An einem Freitagabend lieber in die Bibliothek, anstatt auf eine Party. Typisch Taz.
Hey, diesmal habe ich eine gute Entschuldigung.
Moment—
Was? Ist alles okay?
Taz?
Ich höre jemanden kommen.
Hast du die Polizei gerufen?
Wider besseren Wissens, nein.
Taz streckt ihren Kopf aus dem Baum hervor und blickt sich um.
Einige Polizeiwagen fahren auf den Weg.
Welche Farbe haben ihre Lichter?
Rot.
Nur rot?
Ja.
Aus den Autos steigen Männer …
Und sie alle tragen diese seltsamen Sonnenbrillen.
Mitten in der Nacht?
Ja.
Ich glaube nicht, dass das Polizisten sind.
Erik, die haben Waffen …
Sie zielen direkt auf mich!
Lauf! JETZT!
Taz läuft durch das Unterholz so schnell sie kann.
Die seltsamen Männer folgen ihr dicht, trampeln durch die Büsche und rufen Taz's Namen.
SCHÜSSE gellen durch die Nacht.
KUGELN peitschen durch die Bäume, die den See umgeben.
Und dann wirft jemand Taz zu Boden.
Taz stürzt schwer und schürft sich das Knie auf.
Sie spürt, wie etwas ihre Wunde sanft streift und dann an ihrem Arm zerrt.
Es versucht, sie wieder aufzurichten.
Taz blickt sich um, aber kann neben sich niemanden sehen.
Doch sie fühlt die Anwesenheit des Schattens und das beruhigt sie.
Sie lässt sich vom Schatten durch die verwachsenen Bäume führen …
An eine sichere Stelle in einem Graben, der von Blättern bedeckt ist.
Taz versteckt sich im Graben und zieht zitternd die Knie an die Brust.
Sie spürt eine leichte Berührung an ihrer Wange, und dann ist plötzlich wieder alles still.
Taz zieht ihr Handy hervor und blickt durch den Geister-Filter, aber sie ist allein.
Niemand ist da.
Taz?! Wo bist du??
Ich bin in Sicherheit. Ich habe ein Versteck gefunden. Aber Erik …
Diese Männer haben versucht, mich umzubringen!
Der Geist … er hat mich gerettet. Davor, erschossen zu werden.
Das muss Jaz sein.
Das ist nicht möglich.
Warum würde jemand auf mich schießen, Erik?
Was wollen die?
Ich weiß es nicht …
Vielleicht den USB-Stick.
Ich muss herausfinden, was darauf gespeichert ist.
Was auch immer es ist – es ist nicht wert, verletzt zu werden.
Moment …
Ich höre Schritte.
Es sind diese Männer!
Können sie dich sehen?!
Ich glaube nicht …
Es sieht aus, als ob sie mit ihren komischen Sonnenbrillen den Boden absuchen.
Ich habe Angst …
Schicke mir deinen Standort. Ich komme zu dir.
Taz entsperrt ihr Handy, um Erik ihren Standort zu schicken …
Doch stattdessen öffnet sich Snapchat.
Ein merkwürdiger, neuer Filter erscheint auf ihrem Bildschirm.
Neben ihrer Kamera erscheint ein großer leuchtender Pfeil, der hinter sie zeigt.
Verwirrt wechselt Taz in den Selfie-Modus.
Der Pfeil bleibt an der gleichen Stelle.
Am unteren Bildschirmrand stehen die Worte "Kluger Pfeil-Filter".
Taz blickt nach oben –
die Männer haben sich ein gutes Stück von ihr entfernt.
Langsam und vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, klettert sie aus dem Graben heraus.
Sie hält ihr Handy vor sich und dreht sich im Kreis.
Aber der Pfeil zeigt weiter in die gleiche Richtung.
Er drängt sie in Richtung … irgendwo.
Hey, sieh dir das an!
Hast du noch immer dieses dumme Avocado-Kostüm an?!
Ich ziehe es aus. Aber …
Sieh dir den Filter an – er heißt Kluger Pfeil.
Hast du ihn auf deinem Handy?
Ich sehe mal nach …
Nein.
Auch auf Tech-Blogs finde ich nichts darüber.
Sieht aus wie eine Art Navigationsgerät …
Ich weiß.
Das ist komisch, Taz.
Der Schatten und dann das?
Was auch immer du tust, folge ihm NICHT!
Zu spät.
Taz!
Ich muss es wissen, Erik.
Wohin auch immer dieser Pfeil mich führt … dort könnten die Antworten sein.
Oder mehr gruselige Männer mit Waffen, die auf dich warten. Was, wenn es eine Falle ist?
Ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen.
Für meine Schwester.
Mir gefällt das nicht.
Kannst du mir wenigstens weiterhin schreiben?
Damit ich weiß, dass du in Sicherheit bist.
Na klar.
Er führt mich diesen schmalen Weg entlang …
Folgen dir diese Männer?
Nein. Die sind noch mit ihren Scan-Geräten beschäftigt.
Vielleicht waren sie nicht hinter dir her …
Vielleicht wollten sie den Schatten.
Die Sache ist …
Als ich weg lief, rief einer von ihnen meinen Namen.
Sie wussten, wer ich war.
Und irgendwie wussten sie, dass ich dort sein würde.
Wie? Du hast nicht einmal mir gesagt, wohin du heute Abend gehst …
Es ergibt keinen Sinn. All das ergibt keinen Sinn.
Aber es ist passiert.
Wo bist du jetzt?
Ich verlasse den Weg, der zum Campus führt. Wohin auch immer dieser Pfeil mich bringt …
Es ist nicht auf dem Stanford-Campus.
Kehre um. Bitte.
Komm zurück zum Wohnheim. Was auch immer passiert, wir können das durchstehen.
Zusammen.
Warte!
Was??
Der Pfeil ist verschwunden.
Ich glaube, ich bin da.
Wo ist „da“?
Es ist nur ein leeres Feld …
Taz öffnet Snapchat um ein Bild aufzunehmen …
Und ein neuer Filter erscheint auf dem Bildschirm.
Moment.
Es gibt einen neuen Filter.
Er heißt „Fernglas-Filter“.
Was bedeutet das?
Ich weiß es nicht …
Taz sieht sich durch ihren Handy-Bildschirm die Umgebung an.
Das Feld ist in ein unheimliches, blaues Licht getaucht.
In der Ferne leuchtet etwas.
Als sie darauf zu läuft – noch immer durch ihr Handy blickend – erscheint unter ihr ein Raum.
Es sieht aus wie ein Bunker, der unter ihren Füßen versteckt ist.
Sie bleibt stehen, um ein Bild zu machen und bemerkt eine kleine, abgenutzte Falltür …
Sie ist mit Gras überwuchert.
Sie schickt Erik das Bild.
Was ist das???
Eine Tür.
Naja, toll, aber wohin? Wozu?
Taz zögert einen Moment lang …
Bevor sie den Arm ausstreckt und den Türgriff ergreift.
Er fühlt sich kalt an.
Beinahe, als ob er nicht wirklich da wäre.
Taz zieht am Griff und die Tür schwingt auf.
Da ist eine Treppe, die nach unten führt.
Ich glaube, dass ich das nicht sagen muss, aber GEHE NICHT dort hinunter.
Taz?!
Taz schaltet die Taschenlampe ihres Handys an und steigt nach unten in den Bunker.
Hinab, hinab …
In die Dunkelheit.
Schließlich erreicht sie eine zweite Tür.
Sie zögert, bevor sie sie aufstößt.
Dahinter befindet sich …
ein verlassenes Labor.
Zerbrochene Flaschen, Phiolen mit Chemikalien, alte Computer, Aktenordner …
Alles liegt auf dem Boden herum.
Ist alles in Ordnung?
Was hast du da unten gefunden?
HALLO?!
Schau.
Okay, das ist wirklich gruselig.
Wenn ich mir dieses Bild nur anschaue, bekomme ich Tetanus.
Ich verstehe das nicht … warum hat der Pfeil mich hierher geführt?
Es sieht so aus, als ob seit Jahren niemand hier gewesen ist.
Vielleicht sogar seit Jahrzehnten.
Werde jetzt nicht böse, aber …
Was hast du gemacht?
Nichts! Ich bin nur den Geo-Tags der Bilder gefolgt, die du mir gesendet hast.
Ähm … das heißt?
Ich bin dir gefolgt. Virtuell.
Du hast mich ausspioniert. Cool.
Ich musste etwas unternehmen! Du hast mir nicht erlaubt, die Polizei zu rufen.
Aber hör mir zu, Taz –
Im Internet gibt es gibt keine Spur von diesem Bunker. Kein Labor, nichts.
Google Maps sagt, es ist nur ein Fußballfeld. Genau wie Apple Maps, Bing…
Okay, naja, ich weiß nicht, was ich dazu sagen kann. Ich bin hier unten.
Das ist nicht möglich. Es existiert nicht.
Ich sage dir, es existiert.
Ich glaube, dass du da raus musst.
Nicht bevor ich ein paar Antworten bekomme.
Ich versuche, einen Computer für diesen USB-Stick zu finden, aber keiner davon ist aus diesem Jahrhundert …
Taz schnüffelt weiter herum.
Sie verschiebt einen Stapel Kisten.
Gefunden.
Es funktioniert … der Download läuft …
Taz, du hast keine Ahnung, was dieser Ort ist.
Meine Schwester hat mich hierher geführt.
Ein Snapchat-Filter hat dich dorthin geführt.
Und was würde deine Schwester in einem Labor machen?
Ihr Hauptfach war Englisch.
Das ist das Problem …
Okay, erzähl das niemandem, aber –
Vor ihrem Tod hat Jaz sich … komisch verhalten.
Sie hat sich um irgendetwas Sorgen gemacht.
Sie dachte, dass jemand sie verfolgt.
Aber … Ich war zu beschäftigt, um ihr zuzuhören. Zu beschäftigt, um mich zu kümmern.
Du hast für die Abschlussprüfungen gelernt.
Sie war meine Zwillingsschwester. Ich hätte für sie da sein müssen.
Und vielleicht sind all diese Dinge … miteinander verbunden.
Diese Männer im Wald?
Die kannten mich.
Vielleicht kannten sie auch Jaz.
Taz, was mit deiner Schwester passiert ist, war ein Unfall.
Ein wirklich schrecklicher Unfall.
Aber manchmal … passieren solche Dinge eben. Es muss nicht unbedingt eine Erklärung geben.
Und du solltest dir keine Vorwürfe machen.
In diesem Moment piept der alte Computer vor Taz und der Bildschirm leuchtet auf.
Die Datei von Jaz's USB-Laufwerk wurde fertig heruntergeladen.
Ich bin drin.
Es gibt einen Ordner mit meinem Namen.
Was ist drin?
Ich … Ich weiß es nicht.
Da sind einige Diagramme … Zahlen …
Ich glaube, dass es eine Physik-Abhandlung ist.
Die Singh-Zwillinge – Nerds, sogar im Leben nach dem Tod.
Jaz hat diese Abhandlung auf keinen Fall geschrieben.
Naja, worum geht es denn?
Es ist wirklich kompliziert …
Moment. Du kennst diese Professorin, die verschwunden ist, Dr. Montgomery?
Ja, was ist mit ihr?
Was hat sie gelehrt?
Ähm … laut Internet war sie Professorin für Quantenphysik.
Schwarze Löcher. Dunkle Materie. Diese Dinge.
Warum würde Jaz wollen, dass ich das bekomme? Das ergibt keinen Sinn.
Moment.
Hier steht, dass Dr. Montgomery von der wissenschaftlichen Gemeinschaft oft gemieden wurde …
Wegen ihres Glaubens an ein Leben nach dem Tod.
Eine Physik-Professorin, die an Geister glaubt?
Aber warte mal … Das bedeutet, dass was ich sah …
KEIN Geist war.
Ich bin sicher, dass dies alles nur ein großer Zufall ist.
Warte, hier ist ein Video.
Taz klickt auf Abspielen …
Auf dem Bildschirm erscheint das Gesicht ihrer Schwester.
Taz starrt verständnislos auf den Bildschirm und versucht, verarbeiten, was sie gerade gesehen hat …
Als von oben laut eine KOMISCHE STIMME ertönt.
Hallo Tasneem Singh und herzlich Willkommen im PSI-Labor.
Taz fällt beinahe in ihrem Stuhl um.
Sie blickt sich um …
Sie öffnet den Geist-Filter und blickt durch ihn hindurch.
Nichts.
Sie ist allein.
Ähm, hallo?
Wer ist das?
Mein Name ist S.A.M., kurz für Sentient AI Mainframe.
Sam …
SAM!
Meine Schwester –
Wir alle waren sehr betroffen, von Jaslines Ableben zu erfahren.
Wir?
Ich wurde erschaffen, um Dr. Montgomery zu helfen. Von Dr. Montgomery.
Dr. Montgomery!
Sie lebt also?
Ein bisschen.
Was bedeutet „ein bisschen“?
Ich muss mit ihr sprechen – jetzt!
Wärst du so freundlich, deine Hand auf den Touchscreen zu legen?
Taz sieht sich um …
Es ist schwierig, sich zwischen diesen Haufen alten Mülls einen Touchscreen vorzustellen.
Aber nachdem sie einen Augenblick lang gegraben hat, findet Taz einen.
Sie legt ihre Hand auf den Bildschirm.
Der Raum beginnt zu beben …
Und die Rückwand schiebt sich zur Seite und enthüllt –
Das ECHTE PSI Labor.
Eine makellose, hochmoderne Einrichtung mit Chrom-Inventar.
Heilige Scheiße –
Ja, das Labor, das Dr. Montgomery gebaut hat, ist sehr beeindruckend.
Sie hat all das gebaut? Alleine?
Größtenteils, ja.
Taz läuft zu einer riesigen Röhre, die sich endlos, soweit das Auge reicht, hinzuziehen scheint.
Was ist das?
Ein Teilchenbeschleuniger …
Dr. Montgomery benutzte ihn, um Dunkle Materie zu studieren.
Dunkle Materie?
Ja. Materie kann weder erschaffen, noch vernichtet werden.
Wenn ein Mensch stirbt, zersetzt sich sein Körper und seine Seele wird in Dunkle Materie umgewandelt.
Also … ist Dunkle Materie so etwas wie Geister?
Ich denke, dass man das so sagen könnte.
Leider ist eines von Dr. Montgomerys Experimenten schrecklich schiefgegangen …
Und ich fürchte, dass sie jetzt nur als Dunkle Materie existiert.
Tasneem, sie hätte gewollt, dass du ihre Forschung weiterführst.
Moment … woher weißt du, wer ich bin?
Dr. Montgomery hat dich beobachtet, seit du ein Kind warst.
Mich beobachtet? Warum?
Weil du, Tasneem Singh, einzigartig bist.
Du hast Fähigkeiten …
Wir nennen es die Berührung.
Andere nennen es „Sechster Sinn“.
Die Fähigkeit, Dunkle Materie zu spüren und damit zu interagieren.
Du machst Witze.
Nein, ich meine es vollkommen ernst.
Zwar habe ich die Fähigkeit zu Humor …
Aber mit unserem jetzigen Thema ist nicht zu spaßen.
Ich kann also tote Menschen sehen.
Mit den richtigen Werkzeugen … ja.
Du wirst feststellen, dass ich Filter auf dein Handy geladen habe …
Damit kannst du leichter auf deine Fähigkeiten zugreifen.
Obwohl du mit dem Hauch geboren wurdest …
Musst du daran arbeiten, deine Fähigkeiten zu schärfen.
Die Filter, die ich dir gegeben habe, helfen dir beim Üben.
Mit Zeit und Übung werden deine Fähigkeiten wachsen.
Es gibt Teile deiner Fähigkeiten, die auch ich noch nicht verstehe.
Aber … der Schatten … das war real?
Ja. Aber nur du konntest ihn spüren.
Und durch den Geister-Filter konntest du ihn sehen.
Aber für alle anderen hat er nicht existiert.
Aber er hat Kontakt aufgenommen … er hat mich BERÜHRT.
Ja, genau das macht dich außergewöhnlich, Tasneem.
Meines Wissens nach, konnte niemand zuvor in dieser Weise mit dunkler Materie interagieren.
Ich habe es gespürt.
Ich habe … sie gespürt.
Sie?
Meine Schwester, Jasline.
Das war Jaz's Geist, oder?
Ich habe noch nicht ermittelt, wer oder was mit dir Kontakt aufgenommen hat.
Aber meine Schwester … sie hatte auch die Berührung, oder?
Ich fürchte nicht.
Ich bin so verwirrt.
Es gibt so viel, was wir noch immer nicht über Dunkle Materie verstehen, aber mit jeder Begegnung …
Wächst unser Wissen.
Wir brauchen deine außergewöhnlichen Fähigkeiten, Tasneem.
Das kann nicht real sein.
Du kannst nicht real sein.
Es ist alles sehr real.
Deine Kräfte waren immer da, haben unter der Oberfläche gelauert …
Dich gerufen.
Ich …
Was kann ich tun?
Falls du dich entscheidest, Teil unseres Labors zu werden, wird es deine Aufgabe sein, Anomalien dunkler Materie zu untersuchen.
Ich werde dir Filter zur Verfügung stellen, um dir bei deinen Aufgaben zu helfen.
So wie der Geist-Filter, der Kluge Pfeil und der Fernglas-Filter, die du heute Abend verwendet hast.
Und diese Männer dort draußen? Warum wollten sie mich erschießen?
Wenn ich nicht irre, trugen sie Betäubungspistolen – dein Leben war nicht wirklich in Gefahr.
Aber hüte dich in Zukunft vor diesen Männern – sie sind in der Tat dazu bereit, für ihre Ziele zu töten.
Was wollen sie?
Das sind abtrünnige Wissenschaftler, die unsere Forschung stehlen und für ihre eigenen Zwecke verwenden wollen.
Das ist ein gefährlicher Weg, Tasneem.
Ich werde dich nicht immer beschützen können.
Ich verstehe.
Aber wenn ich Teil des PSI-Labors werde und meine Fähigkeiten entwickle, dann kann ich vielleicht eines Tages …
Meine Schwester wiedersehen?
Das kann ich nicht garantieren, Tasneem.
Aber ich nehme an, dass es die Möglichkeit gibt …
Taz blickt sich im Labor um …
Auf all die Werkzeuge und Geräte.
Und ein Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht breit.
Endlich hat sie ihren Weg gefunden.
Wann kann ich beginnen?
Ich werde mich melden.
Aber bevor du gehst, beherzige diese Warnung –
Sei vorsichtig, wenn du deine Kräfte in der Öffentlichkeit einsetzt.
Wie du heute Abend gesehen hast, werden Wesen aus dunkler Materie für andere sichtbar, wenn du sie auf einem Foto festhältst.
Offenbare deine Kräfte nicht einfach jedem.
Nur Personen, denen du vertraust.
Die Welt ist nicht bereit für die Dinge, die du sehen wirst.
Später
Taz steigt aus dem Untergrund-Labor hervor.
Und trifft Erik, der auf sie wartet.
Sie läuft in seine Arme.
Er umarmt sie fest –
Und ein wenig zu lange.
Sanft zieht sie sich zurück.
Taz… ich habe mir solche Sorgen gemacht.
Als du nicht geantwortet hast, bin ich hier her gelaufen…
Ich habe wirklich gedacht, du wärst tot.
Es tut mir leid.
Was ist da drin passiert?
Ich …
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.
Aber er hat gesagt, dass ich es Menschen erzählen kann, denen ich vertraue, also …
Wer hat das gesagt?
Taz, bist du in Ordnung?
Ich glaube, wir sollten dich in ein Krankenhaus bringen oder so.
Nein, wirklich. Mir geht es gut.
Also sag mir, was passiert ist.
Wir sind beste Freunde. Vertraust du mir nicht?
Mit meinem Leben, aber …
Du würdest mir nicht glauben.
Versuche es.
Lass uns nach Hause gehen.
Hier können wir nicht sprechen.
Aber Erik …
Ich werde meine Schwester wiedersehen.
Wie?
Geister—
Sind. Nicht. Real.
Sind sie.
Jaz hatte Recht.
Und jetzt kann ich es dir beweisen.
Taz nimmt ihr Handy und öffnet Snapchat…
Sie zieht Erik für einen Selfie zu sich …
Und ein neuer Filter erscheint auf dem Bildschirm.
Hinter ihnen tauchen Dutzende Schatten im Hintergrund auf.
Wie Geister, die in der Luft hängen …
Überall.
Taz macht ein Bild.
Was ist all das?
Das …
Ist Dunkle Materie.
App