Klickedi-klack - Episode 1
by J. Gilbert
Beth? Was ist denn los?
Ich starre das Gesicht meiner Freundin auf meinem Handybildschirm an.
Mascara-Spuren laufen ihr die Wangen runter.
Es tut mir leid. Es tut mir so leid.
Ich will dich nicht in diese Sache mit reinziehen …
Aber mir gehen die Alternativen aus.
Mich mit reinziehen in WAS?
Beth hält eine Zeichnung von vier unsauberen Kreisen hoch.
Zwei sind durchgestrichen –
Und ich sehe ihr dabei zu, wie sie den dritten durchstreicht.
Du musst das auch machen.
Ich kapiere nicht, wovon du redest!
Beth schüttelt die Zeichnung in meine Richtung.
Ihr Knöchel werden ganz weiß, weil sie das Papier so fest anfasst.
KREISE! Du musst KREISE malen!
Ich habe Beth noch nie so erlebt.
Normalerweise ist sie ziemlich entspannt.
Das beunruhigt mich zutiefst.
Aber warum??
TU ES EINFACH! BITTE, WINONA!
Okay, okay!
Ich suche mir einen Zettel und einen Filzstift.
Vier Kreise?
Beth nickt mir mit weit aufgerissenen Augen zu.
Ich male die Kreise.
Jetzt rufst du vier Leute an …
Und lässt sie das Gleiche machen.
ACHTE DARAUF, DASS SIE ES AUCH WIRKLICH MACHEN!
Streiche jedes Mal einen Kreis durch.
Dann bist du sicher.
Sie wirft einen kurzen Blick in Richtung ihres Schlafzimmerfensters.
Klickedi-klack.
Ich kapier's nicht!
Ist das irgend so ein Spiel??
Klickedi-klack.
Rhythmisch klopft sie auf die vier Kreise in ihrer Zeichnung …
Und spricht die Worte im Takt –
Eine Silbe für jeden Klopfer.
Klickedi-klack. Klickedi-klack!
Ihre Klopfer werden lauter, kräftiger, bis sie mit der Faust auf ihren Tisch schlägt.
KLICKEDI-KLACK!
Beth, hör auf! Ich –
Sie verstummt und starrt mich eindringlich und verstört an.
Klickedi-klack –
Sonst kommt es zurück!
Sie schaut wieder in Richtung ihres Fensters, während Panik in ihr aufsteigt.
Ich glaube, es ist hier …
Und ich muss noch jemanden vierten finden.
Klickedi-klack! Klickedi –
Der FaceTime-Anruf bricht ab.
Beth? Beth!!
Ich versuche sie zurückzurufen …
Aber sie geht nicht ran.
Was ist los mit meiner Freundin??
Dieses wirre Zeug, das sie von sich gegeben hat –
„Klickedi-klack, sonst kommt es zurück“ –
Was zur Hölle soll das bedeuten?
Ich frage mich, ob ich die Polizei rufen soll.
Die könnten jemanden vorbeischicken, der nach ihr sieht.
Doch noch bevor ich den Notruf wählen kann …
Höre ich es.
Vier sanfte, schnelle Klopfer an meinem Fenster.
Mein Herz hämmert, als wollte es mir aus der Brust springen.
Die Klopfer kehren wieder, und ich flüstere im Takt mit:
Klickedi-klack.
Das muss Beth sein, die mir einen Streich spielt …
Sie wohnt jedoch am anderen Ende der Stadt und war gerade eben noch bei sich zu Hause.
Vielleicht haben sich meine Freunde zusammengetan.
Zentimeterweise bewege ich mich auf das Fenster zu.
Mir zittern die Hände, als ich die Vorhänge aufreiße.
Ich starre in die Nacht hinaus und sehe …
Nichts.
Als ich die Vorhänge zufallen lasse, kehren die Klopfer zurück.
Vier an der Zahl, alle in schneller, abgehackter Folge —
Klickedi-klack.
Als ich die Vorhänge erneut öffne, ist nichts dort …
Also lasse ich sie zufallen.
Klickedi-klack.
Als ich sie dieses Mal öffne, sehe ich es:
Eine lange, knorrige Hand mit Nägeln wie gekrümmte Klauen.
Die Klauen trommeln ein weiteres Mal gegen das Glas …
Dann gleitet die Hand davon.
Der flüchtige Blick reicht aus, dass es mir eiskalt den Rücken runterläuft.
Ich will gar nicht sehen, an was die Hand dranhängt.
Es erfolgen keine weiteren Klopfer …
Ich erinnere mich jedoch an den Rest von Beths Reim:
„Sonst kommt es zurück“.
Panisch scrolle ich durch meine Kontakte.
Ich brauche nur vier Leute.
Ich fange an mit meinem Freund Adam.
Als er meinen FaceTime-Anruf annimmt …
Zeige ich ihm meine Zeichnung.
Ich streiche den ersten Kreis durch und sage ihm, er soll selbst vier zeichnen.
Er lacht leise und unsicher.
Äh, Winona …
Bist du betrunken?
Das ergibt alles überhaupt keinen Sinn.
Mach es einfach, okay?
Ich werfe einen kurzen Blick in Richtung meines Fensters.
BITTE.
Die Heiterkeit verschwindet aus seinem Gesicht.
Was ist denn los?
Wenn du Hilfe brauchst –
Mal einfach nur die Kreise.
Ich tippe auf meine Zeichnung.
Klickedi-klack. Klickedi-klack!
Sonst kommt es zurück!
Okay, okay! Hier.
Er kritzelt vier Kreise auf einen Zettel.
Ruf jetzt vier andere Leute an und lass sie das Gleiche machen.
Ich erklär's dir später, versprochen …
Ich schaue wieder zu meinem Fenster.
Aber jetzt habe ich keine Zeit.
Ich lege auf und widme mich wieder meinen Kontakten.
Meine nächsten paar FaceTime-Anrufe bleiben unbeantwortet –
Dann geht jedoch meine Cousine Maya ran.
Ich sage ihr das Gleiche, das ich Adam gesagt habe.
Jetzt sind zwei meiner Kreise durchgestrichen.
Meine Freundin Sara geht ebenfalls ran –
Das macht also drei erledigte Kreise.
Fehlt nur noch einer.
Ich scrolle und rufe weiter an –
Aber niemand geht ran!
Mir schnürt sich der Hals zu, als ich am Ende meiner Kontaktliste ankomme.
Mein letzter Kontakt ist Zach, mein fester Freund.
Zach ist der vernünftigste Mensch, den ich kenne –
Ausgeschlossen, dass er sich hierauf einlässt.
Er ist jedoch meine letzte Möglichkeit, also rufe ich ihn trotzdem an.
Er legt die Stirn in Falten als er meinen Gesichtsausdruck sieht.
Was ist denn los, Liebes?
Du musst mir jetzt gut zuhören.
Rasch erzähle ich ihm von dem Anruf von Beth …
Und dem Klickedi-klack an meinem Fenster.
Ich weiß, dass das verrückt klingt …
Aber mal bitte einfach nur die Kreise und gib es weiter.
Für mich.
Zach kneift die Augen zusammen.
Du hast recht.
Das klingt wirklich verrückt.
Was auch immer Beth im Schilde führt …
Ich versichere dir, da ist kein Klickedi-klack-Monster vor ihrem Haus.
Und vor DEINEM Haus auch auch nicht.
Zach, ich habe seine Hand gesehen!
Du hast wahrscheinlich einen Ast gesehen, der sich im Wind bewegt hat.
Beth wohnt nur ein paar Blocks von mir entfernt.
Ich gehe mal rüber und sehe was los ist, okay?
Ich rufe dich gleich zurück.
Zach, nein!
Doch er ist schon fort.
Wenige Minuten später ruft Zach mich zurück.
Er befindet sich vor Beths Haus.
Sein Gesicht ist eigenartig blass.
Geht's Beth gut??
Ich …
Ich weiß nicht.
Sieh dir das mal an.
Lange Kratzer ziehen sich seitlich an Beth Haus entlang.
Er hält sein Handy so hin, dass ich ihr Schlafzimmerfenster sehen kann.
Es ist zertrümmert.
Oh mein Gott!
Du rufst die Polizei.
Ich versuche reinzukommen und …
Seine Stimme verlässt ihn als er es hört –
Vier schnelle, durchdringende Klopfer ganz in der Nähe.
Zach …
LAUF!!
Er bleibt jedoch wie angewurzelt stehen …
Und starrt etwas an, das ich nicht sehen kann.
Die Klopfer ertönen erneut.
Klickedi-klack …
Er lässt sein Handy fallen und der Anruf endet.
ZACH!!
Weinend scrolle ich erneut durch meine Kontakte.
Vielleicht ist es noch nicht zu spät.
Wenn ich sofort eine vierte Person finde …
Kommen Zach und Beth vielleicht davon.
Aber es geht niemand ran.
Niemand beantwortet meine Anrufe.
Wo sind die denn alle??
Dann kommt mir ein schrecklicher Gedanke:
Was, wenn das zum Plan dieses Dinges gehört?
Was immer dieses „Spiel“ auch ist …
Was, wenn man es gar nicht gewinnen kann?
Ich starre runter auf den letzten unmarkierten Kreis …
Und in dem Moment höre ich es:
Vier schnelle, durchdringende Klopfer gegen mein Fenster.
Vier Klauen, die einen entsetzlichen Rhythmus trommeln.
Klickedi-klack –
Jetzt ist es zurück.
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