Paranoid - Episode 1
by Ruth Lauren
Brad! Komm schnell! Ich habe grad was Schreckliches gesehen!
Brad rennt ins Zimmer.
Er seufzt, als er sieht, dass Abby aus dem Fenster schaut.
Nicht schon wieder.
Ich habe jemanden in Carlys Wohnung auf der anderen Straßenseite gesehen.
Brads Gesicht verändert sich, als er das hört.
Sie ist in Schwierigkeiten!
Okay, erzähl mir genau, was du gesehen hast.
Ich saß direkt hier am Fenster.
Sie hat im Dunkeln ferngesehen.
Ich konnte sehen, wie ihr Gesicht vom Bildschirm angestrahlt wurde.
Dann war da jemand hinter ihr.
Er war schwarz angezogen.
Und dann – hat er sie gepackt...
Und er hat sie erwürgt!
Bist du sicher, dass du eine zweite Person gesehen hast?
Absolut!
Ich habe gerade die Polizei gerufen.
Aber sie haben mir nicht geglaubt.
Brad hat versucht, nicht auf das Weinglas neben Abbys Stuhl zu schauen.
Aber jetzt sieht er es an.
Abby sieht gekränkt aus.
Und schlimmer noch, wütend.
Ich habe ein Glas Wein getrunken, okay?
Aber ich weiß, was ich gesehen habe.
Brad schaut auf den Boden.
Neben dem Stuhl steht eine Flasche Wein.
Eine leere Flasche.
Es ist nur...
Vielleicht hat die Polizei dir nicht geglaubt, weil –
Weil ich mich schon ein paar Mal geirrt habe?
Abby, du hast ihnen erzählt, dass unsere Nachbarin ermordet wurde.
Ich habe das geglaubt!
Ihr Ehemann hat um Mitternacht Müllsäcke ins Auto gebracht!
Da war Müll drin, Abby.
Ich weiß.
Aber das hier ist anders.
Jemand hat Carly wirklich umgebracht.
Ich habe es GESEHEN.
Bitte, Brad.
Wir müssen etwas tun.
Brad späht durch das Fenster in die Wohnung auf der anderen Straßenseite.
Carlys Wohnung ist dunkel.
Aber in der Ecke flackert etwas.
Der Fernseher ist an.
Er kann keine andere Bewegung wahrnehmen.
Er könnte Carly anrufen.
Aber dann wüsste Abby, dass er Carlys Nummer hat.
Wie sah diese andere Person aus?
Also du GLAUBST mir?
Abby seufzt erleichtert auf.
Ich hab's dir doch gesagt.
Es war dunkel.
Und er hatte etwas Schwarzes an.
Ich habe kein Gesicht gesehen.
Nur zwei Hände...
... die ihren Hals gepackt haben.
Es war schrecklich, Brad.
Abby hält sich die Hände vor's Gesicht...
... und drückt ihren Kopf an Brads Brust.
Brad streichelt Abbys Kopf.
Aber er denkt nicht an Abby.
Er denkt an Carly.
Abby KÖNNTE gesehen haben, wie jemand von hinten die Arme um Carly legt.
Aber nicht, weil sie erwürgt wurde.
Vielleicht trifft sie sich mit jemandem.
Mit jemand anderem als Brad.
Brad! Du tust mir weh!
Tut mir leid, Liebling.
Ich will dich nur ganz fest drücken.
Abby geht einen Schritt zurück.
Ich bin wieder in Ordnung.
Aber Carly ist es nicht.
Wir müssen zu ihrer Wohnung gehen.
Brad schluckt.
Nein, nein, Süße.
Ich gehe allein.
Warum?
Brads Gedanken rasen.
Er will nicht, dass Abby und Carly aufeinandertreffen.
Weil er seit drei Monaten hinter Abbys Rücken mit Carly schläft.
Es könnte gefährlich sein.
Abbys Augen weiten sich.
Ich will, dass du hier bleibst.
Und durch das Fenster beobachtest.
Dann kannst du Hilfe holen, wenn es nötig ist.
Aber es wird nicht nötig sein.
Abby nickt und positioniert sich am Fenster.
Auf dem Weg holt Brad sein Smartphone aus der Tasche.
Er will Carly anrufen...
... und sie bitten, ans Fenster zu kommen.
Wenn Abby sieht, dass es ihr gut geht...
... wird sie Brad anrufen.
Dann kann er zurück in die Wohnung gehen...
... und Abbys Paranoia für eine Weile vergessen.
Er ruft Carly an.
Aber ihr Smartphone ist nicht an.
Das sieht ihr nicht ähnlich.
Er bleibt stehen.
Er fühlt sich langsam unbehaglich.
Was, wenn Carly TATSÄCHLICH etwas passiert wäre?
Sie vergisst immer, die Wohnungstür abzusperren.
Und ausnahmsweise könnte Abby recht haben.
Brad fängt an zu schwitzen.
Sein Herz beginnt zu klopfen, als er an Carlys Tür klopft.
Er wartet.
Er hält sein Ohr an die Tür.
Er kann etwas hören.
Carly?
Lass mich rein!
Er kriegt langsam Panik.
Deswegen versucht er die Tür zu öffnen.
Sie geht auf.
Carly?
Der Fernseher ist an.
Der Bildschirm wirft irre Schatten an die Wand.
Er schleicht misstrauisch in die Wohnung.
Carly? Wo bist du?
Sein Handy klingelt und er zuckt zusammen.
Er schaut auf sein Smartphone.
Es ist Carly!
Er kann nicht fassen, dass er schon wieder auf Abbys Unfug hereingefallen ist.
Sie benimmt sich in letzter Zeit so seltsam.
Er tippt auf "Anruf annehmen" auf dem Smartphone-Bildschirm.
Hallo Kleine.
Schön von dir zu hören.
Du glaubst nicht, wo ich gerade bin.
Wo?
In deiner Wohnung!
Du hast die Tür mal wieder nicht abgeschlossen.
Was machst du da?
Brad seufzt.
Abby hat geschworen, dass dich jemand erwürgt hat.
Es wird immer schlimmer mit ihr.
Ich muss etwas unternehmen.
Es entsteht eine Pause.
Was meinst du mit "etwas"?
Du weißt es.
Wir haben schon darüber gesprochen.
Vielleicht will ich einfach hören, dass du es aussprichst.
Ich werde Schluss mit ihr machen, okay?
Ich will nur mit dir zusammen sein.
He, wo bist du eigentlich?
Hast du im Schlafzimmer nachgesehen?
Brad grinst.
Er rennt ins Schlafzimmer.
Carly ist im Bett.
Ich kann nicht lange bleiben.
Abby ist völlig paranoid.
Kleine?
Er schüttelt Carlys Schulter.
Und dann fällt ihre schlaffe Hand aus der Bettdecke.
Brad schnappt nach Luft.
Carlys Augen sind weit und glasig.
Am Hals hat sie Würgemale.
Sie ist tot.
Brad ist für zehn Sekunden völlig panisch ...
... bevor seine zitternde Hand das Smartphone wieder ans Ohr hält.
Wer ist da?
Erkennst du deine eigene Freundin nicht?
Oder bist du verwirrt, weil du so viele hast?
Sie ist –
Carly ist –
Tot?
Das WEISS ich, Brad.
Ich habe dir doch erzählt, dass sie tot ist.
Ich habe nur vergessen, dir zu sagen, dass ich das war.
In der Ferne sind Sirenen zu hören.
Brad rennt in das Wohnzimmer.
Abby steht am Fenster ihrer Wohnung.
Sie winkt Brad zu.
Er will ihr zurückwinken, bevor er sich dabei ertappt.
Es sieht nicht gut aus für dich, Brad.
Du bist in einer Wohnung mit einem toten Mädchen...
Und deine DNA ist überall verteilt.
Die Sirenen werden lauter.
Hast du die Polizei gerufen???
Na klar.
Jemand wurde umgebracht, Brad.
Die Polizei wird dir nicht glauben!
Du hast so viele Fehlalarme verursacht.
Ich habe noch nie die Polizei angerufen.
Bis auf jetzt, vor fünf Minuten...
... als ich einen verdächtig aussehenden Mann in der Wohnung auf der anderen Straßenseite gesehen habe.
Was?!
Aber du bist ständig paranoid gewesen!
Du hast die Polizei gerufen.
Du hast getrunken.
Ich? Paranoid?
Ich dachte nur, dass mein Freund mit einer anderen schläft.
Und ich hatte recht.
Ich weiß es seit Wochen.
Aber ... du hast die Polizei angerufen.
Sie werden wissen, dass du lügst.
Ich habe nie gesehen, wie der Nachbar etwas getan hat.
Und ich habe nie die Polizei gerufen.
Nur weil ich dir sage, dass etwas passiert ist...
... heißt das nicht, dass es so gewesen ist.
Aber auf der anderen Seite HABE ich dir gesagt, dass jemand Carly ermordet hat.
Und das hat sich als wahr herausgestellt, nicht wahr?
Es ist schön, dass einer von uns ehrlich sein kann.
Warum solltest du so etwas tun?!
Ich habe deine Nachrichten an Carly gesehen.
Ich wusste, was ihr beiden plant.
Wie wolltet ihr mich denn loswerden?
Ich dachte, es würde euch aufhalten, wenn du glaubst, dass ich ein paar Mal die Polizei gerufen habe.
Ich brauchte einfach genug Zeit, um meinen eigenen Plan zu machen.
Wie du siehst, ist er aufgegangen.
Okay, ich muss jetzt gehen, Brad.
Vor meinem Fenster gibt es gleich eine super Show.
Abby, warte!
Viel Glück!
Abby beendet den Anruf, nimmt das Smartphone auseinander und zerstört es.
Sie lehnt sich mit einem Glas Wein zurück, als Brad aus Carlys Wohnung rennt...
... genau in dem Moment, als zwei Polizeiwagen mit quietschenden Reifen anhalten.
Brad schaut hoch, als ihm Handschellen angelegt werden.
Sein Gesicht ist wutverzerrt.
Abby lächelt genüßlich.
Tschüß, Brad.
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