Die Puppen - Folge 1
by Caroline Renee Mills
Ich entdecke das Gasthaus, als ich von der Route 12 abfahre.
Das Cranfield sieht ziemlich alt aus ...
Aber ich muss irgendwo unterkommen, um den Sturm abzuwarten.
Und hier auf dem Land ...
... gibt es kilometerweit nichts als Vogelscheuchen und Maisfelder.
Ich laufe durch den Regen und läute die Glocke.
Die Tür öffnet sich quietschend ...
Und eine mollige weißhaarige Dame erscheint auf der Veranda–
Ich hätte bitte gerne ein Zimmer–
Natürlich, Liebes.
The Cranfield gehört ganz dir.
Gibt es keine anderen Gäste?
Ein paar Monate lang leider keine.
Die Ruhe ist manchmal zu viel für eine arme alte Dame!
Sie winkt mich herein ...
Also schüttelte ich das Wasser von meinen Stiefeln und folge ihr zum Empfangspult.
Das Gasthaus ist dunkel–
Nur vom Mond und ein paar dämmrigen gelben Lampen beleuchtet.
Ich bin Rose.
Und du heißt?
Lisette.
Was kostet also das günstigste Zimmer, Rose?
Ich habe welche für nur 65 $ ...
Aber es gibt weder Fernseher noch angeschlossene Badezimmer.
Damit bin ich einverstanden.
Gut!
Sie lächelt und nimmt einen Schlüssel von den Haken hinter dem Pult.
Bitteschön, Lisette.
Zimmer 13.
Danke, das Wetter ist ziemlich schlecht da draußen.
Ich mag die Sommerstürme sehr.
Aber die Sonne sollte morgen früh schon wieder scheinen.
Ich schaue mich um ...
Während ich darauf warte, dass sie mich zu meinem Zimmer führt ...
Zieht sie mich stattdessen in den Salon.
Ich wollte gerade Kaffee trinken und Kuchen essen.
Bitte setz dich zu mir, Lisette!
Ich habe nicht oft das Vergnügen, Gäste zu unterhalten.
Ich möchte etwas schlafen ...
Aber sie blinzelt mir mit ihren Wimpern zu ...
Bittend ...
Also gebe ich nach.
Okay, etwas Kaffee wäre toll.
Wunderbar!
Bitte fühl dich wie zu Hause–
Ich setze in der Küche das Wasser auf.
Sie hastet davon ...
Und ich schlendere durch den Salon und warte.
Der Raum ist komplett mit floralem Stoff und Porzellanpuppen ausgestattet ...
Und die antiken Möbel sind mit Staub bedeckt.
Ich setze mich auf die Couch ...
Aber die Puppen scheinen mich zu beobachten ...
Ihre Augen sind so groß wie Monde.
Oder vielleicht bin ich einfach nur müde.
Kurz darauf stolziert Rose mit Kaffee und Kuchen herein.
Sie gießt die Sahne aus einem rostigen Silbertopf ein.
Du hast eine ziemlich große Puppensammlung.
Wie ich schon sagte ...
Ich bin hier draußen oft allein.
Aber die Puppen leisten mir Gesellschaft!
Sie lacht und wirft etwas Zucker in ihren Kaffee.
Clementine und Victoria sind die neuesten ...
Und Josephine sitzt gerne im Schaukelstuhl.
Die Namen kommen mir bekannt vor ...
Als hätte ich sie irgendwo schon einmal gehört ...
Oder sie vielleicht gesehen …
Hast du ihre Namen aus einem Buch übernommen?
Jede Puppe kam mit ihrem eigenen Namen–
Genau wie The Cranfield.
Das Gasthaus?
The Cranfield war 1883 eine Jugendberberge.
Seitdem hat es selbstverständlich viele Verbesserungen gegeben ...
Aber die Böden sind historisch.
Das Gleiche gilt für den Kohleofen.
Ich ersticke ein Gähnen und trinke meinen Kaffee.
Rose isst einen Kuchen und plaudert weiter.
1 Stunde später ...
Schließlich führt Rose mich zum Schlafen zu meinem Zimmer.
Da wären wir ...
Zimmer 13.
Ich bin in der Küche, falls du mich brauchst, Liebes.
Danke, Rose.
Sie huscht davon ...
Und ich öffne die Tür zu meinem Zimmer mit meinem Schlüssel.
Ich bin ausgelaugt von der feuchten Sommerhitze ...
Erschöpft vom Gespräch mit Rose ...
Also lege ich mich in das schäbige mottenzerfressene Bett.
Als ich gerade dabei bin, in den Schlaf zu versinken ...
Rieche ich etwas.
Den Kohleofen.
Friert Rose etwa ...
Im Juni?
Ich krabble aus dem Bett und schnüffle an der Luft ...
Aber das Zimmer scheint um mich herum zu verschwimmen.
Schweiß strömt mir über die Wangen ...
Und ich glaube, ich bin vielleicht krank.
Ich öffne meine Tür und stolpere in den Flur.
Ich muss das Badezimmer finden.
An einigen der Türen sind die Zimmernummern auf das Holz gemalt ...
Also gehe ich an ihnen vorbei.
Ich sehe eine schlichte schmale Tür am Ende des Flurs ...
Und ich drehe den Türknauf.
Doch statt des Badezimmers ...
... finde ich einen Schrank voller hübscher Porzellanpuppen vor–
Und keine von ihnen hat Augen.
Warum hat Rose diese hier?
Plötzlich erschüttert ein Donnerschlag die Fenster.
Die Lampen in der Halle flackern und gehen aus ...
Und ich bin allein in der Dunkelheit.
Ich taste um mich herum ...
Schwach ...
Als Rose mit ein paar Kerzen in den Flur kommt.
Geht es dir gut, Liebes?
Ich habe nur das Badezimmer gesucht ...
Ich habe Mühe zu sprechen ...
Die Worte sind wie Sirup in meinem Mund.
Die Leitungen in der Flurtoilette sind kaputt ...
Aber es gibt einen Waschraum in der Küche.
Ich taumle ihr hinterher ...
Aber ich bin zu schwach zum Gehen.
Ich pralle gegen die Wand und sinke zu Boden ...
Schlapp.
Ich glaube ...
Ich brauche einen Arzt ...
Bring mich ...
Ins Krankenhaus ...
Aber Lisette ...
Sie lehnt sich vor und flüstert ...
Ihr fauliger Atem strömt mir ins Ohr.
Gefällt es dir im The Cranfield nicht?
Magst du nicht mit mir Kaffee und Kuchen genießen?
Ich ersticke an der Luft ...
Und meine Augen weiten sich vor Entsetzen.
Hast du ...
… den Kaffee ...
… vergiftet ...
… um mich hier festzuhalten?
Natürlich nicht.
Gift ist zum Töten da ...
Und du wirst im Cranfield nie sterben, Lisette.
Du wirst meine Unsterbliche sein.
Sie glättet mein Haar ...
Und grinst mich mit schiefen gelben Zähnen an.
Ich hole aus, um sie von mir wegzustoßen ...
Aber der Schmerz explodiert in meiner Brust wie eine Bombe.
Ich sehe einen weißen Blitz–
Und dann versinke ich in der Dunkelheit.
Ich öffne meine Augen und schaue mich im schwachen Licht des Mondes um.
Ich bin allein im Salon ...
Und sitze auf einem Stuhl ...
Aber der Raum kommt mir seltsam vor–
Als wäre ich geschrumpft oder so.
Ich muss mein Handy finden ...
... und die Polizei wegen The Cranfield anrufen ...
Aber meine Gliedmaßen sind steif–
Gelähmt.
Ich versuche zu schreien ...
Aber meine Lippen sind ebenfalls taub.
Plötzlich rieche ich etwas ...
... aus dem Ofen in der Küche–
Den faulen Geruch von brennender Haut und Haaren.
Dann hastet Rose mit ihrer Kerze in den Raum ...
Rußbefleckt und außer Atem.
Du hättest weniger Kuchen essen sollen ...
Deine irdischen Überreste waren schwerer als ein Elefant.
Ich denke an den Flurschrank ...
An all die Puppen ohne Augen ...
Und mein verknoteter Magen–
Oder was mein Magen sein sollte–
Dreht sich mir um.
Ich weiß, was sie mit mir gemacht hat ...
Ich bin ihre Puppe.
Mit einer Art Zaubertrank im Kaffee ...
... nahm sie meine Seele.
Und ich werde The Cranfield nie verlassen.
Sie schwebt über mir wie ein Riese ...
… und streichelt meine kalte Porzellanwange.
Oh, Lisette ...
Ich werde nie allein sein mit all meinen süßen Puppen.
Und du siehst neben Clementine so hübsch aus!
Plötzlich erinnere ich mich, wo ich die Namen von vorhin gesehen habe.
Clementine ...
Victoria ...
Josephine im Schaukelstuhl ...
Alle waren in der Zeitung.
3 Frauen in den letzten 6 Monaten ...
Und alle sind auf der Route 12 verschwunden.
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