Wer solche Freunde hat - Episode 1
by Calla Gordon
Draußen grollt der Donner.
Audrey dreht sich im Bett herum und reckt sich nach Jaxon …
Doch ihre Hände treffen auf leere Betttücher.
Sie setzt sich auf und sucht das dunkle Zimmer ab.
Doch sie ist allein.
Sie kann es nicht fassen –
Jaxon ist fort!
Ärger steigt in ihr auf.
Erst vergangenen Abend hat sie Jaxon gesagt, dass sie ihn liebt.
Und jetzt hat er sie mitten in der Nacht verlassen, als würde sie ihm nichts bedeuten.
Sie schnappt sich ihr Handy, bereit, ihm in einer SMS ganz deutlich zu sagen, was ihr durch den Kopf geht –
Doch etwas lässt sie plötzlich innehalten:
Das Hintergrundbild ihres Handys …
Ist ein Foto von ihr, schlafend.
Auf dem Bild sind ihre Haare aufwendig hochgesteckt.
Genau, wie sie es zur Party gestern Abend getragen hat …
Und wie es jetzt noch immer ist …
Weil sie zu sehr damit beschäftigt war, mit ihren Händen über Jaxons ganzen Körper zu fahren …
Um die Haarnadeln vorm ins Bett Gehen zu rauszunehmen.
Audrey berührt ihre Haare.
Jetzt verspürt sie neben Ärger …
Ein gewisses Befremden, dass Jaxon ein solches Bild von ihr machen würde.
Sie schreibt ihm:
Du konntest nicht mal warten, bis es hell wird, bevor du gehst?
Ich muss früh zur Arbeit …
Und ich habe meine Uniform zu Hause gelassen.
Ach so …
Wie kommt es dann, dass du mich gestern Abend auf der Party weggeschubst hast?
Ich weiß nicht wovon du redest.
Du weißt GENAU wovon ich rede.
Ich habe dir etwas ins Ohr geflüstert …
Und dann, als Kat ins Zimmer kam …
Hast du mich weggeschubst.
Kat ist meine beste Freundin …
Und Jaxons Exfreundin.
Kat behauptet jedoch, dass sie nichts gegen die neue Situation hat.
Ich stehe einfach nicht darauf, in der Öffentlichkeit herumzuturteln, das ist alles.
Audrey verdreht die Augen.
Als er mit Kat zusammen war, schien er großen Gefallen am Herumturteln in der Öffentlichkeit zu finden.
Die Wahrheit liegt auf der Hand.
Jaxon hat Audrey einfach nicht so gern, wie sie ihn gern hat …
Oder wie er Kat gern hatte.
Aber sie will diese Auseinandersetzung nicht um drei Uhr morgens führen.
Wie du meinst, Jax.
Was hat es eigentlich mit dem Bild auf sich?
Welches Bild?
Das Bild, das du von mir gemacht hast, während ich geschlafen habe!
Das war echt unheimlich, nur mal so.
Ich habe keine Bilder von dir gemacht.
Sehr witzig, Jax.
Das warst ganz offensichtlich du.
Ich weiß nicht wovon du sprichst.
Hör mal, ich muss vor der Arbeit noch ein paar Stunden schlafen.
Wir sprechen uns später.
Audrey blickt sich in ihrem dunklen Schlafzimmer um.
Wenn es nicht Jaxon war, der das Bild gemacht hat …
Wer dann?
In diesem Moment hört Audrey es:
Ein Klappern unten in der Küche.
Sie erstarrt …
Sie strengt sich an, durch den Regen und Donner zu lauschen …
Doch alles, was sie hören kann, ist ihr Herzschlag in ihren Ohren.
Audrey schaltet die Taschenlampe an ihrem Handy ein …
Und schleicht dann auf Zehenspitzen zur Tür.
Sie atmet tief ein.
Dann öffnet sie die Tür und späht in den dunklen Flur hinein.
Nichts.
Niemand.
Audrey tritt in den Flur hinaus.
Mit der Taschenlampe nach vorn gerichtet …
Schleicht sie die schmale Treppe hinunter …
Und geht dann in Richtung Küche.
Plötzlich bewegt sich in der Ecke ein dunkler Schatten.
Audrey schreit …
Bevor sie erleichtert ausatmet.
Das war bloß der Schatten eines Baumes auf der Wand …
Sie dreht sich um …
Und prallt gegen einen Körper.
Audrey schreit auf und krabbelt rückwärts –
Während ihr Handy die Fliesen in der Küche entlangklappert.
Eine dunkle Gestalt tritt hervor …
Und der Mondschein fällt auf das Gesicht des Eindringlings.
Augenblick – es ist jemand, den sie erkennt.
Kat! Was machst du denn hier?
Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.
Wie bist du reingekommen?
Ich habe einen Ersatzschlüssel, erinnerst du dich nicht?
Kat zückt einen Schlüssel hervor.
Ein unangenehmes Gefühl windet sich durch Audreys Brust.
Warte mal, wieso hast du dir Sorgen um mich gemacht?
Jaxon hat gesagt, dass du dich komisch benimmst.
Hat er das? Du hast mit Jaxon geredet?
Darf ich mich nicht mit meinem Exfreund unterhalten?
Wir waren für DREI JAHRE miteinander zusammen, weißt du.
Nee, klar darfst du mit Jaxon reden.
Ich bin bloß überrascht, das ist alles.
Kat tritt näher …
Was ist los, Audrey?
Du wirkst nervös.
Audrey schluckt schwer.
Na ja, klar … jemand war in meiner Wohnung.
Ich wusste zunächst nicht, dass du es warst.
Ich dachte, es handelt sich um einen Eindringling.
Das klingt TATSÄCHLICH beängstigend.
Kat fährt mit den Fingern die Küchentheke entlang …
Bis sie neben dem großen Messerblock verweilt.
Sie rupft ein Messer heraus.
Was tust du da?
Wenn jemand in deiner Wohnung ist, sollten wir uns bewaffnen, oder?
Kat hält das Messer in die Höhe.
Die scharfe Spitze erstrahlt im Mondlicht.
Nimm das Messer runter, Kat.
Du beunruhigst mich.
Na, wir wollen dich doch nicht BEUNRUHIGEN, nicht wahr?
Was soll das bedeuten?
Kat tritt näher …
Und Audrey weicht einen Schritt zurück.
Vielleicht ist es der Blick in Kats Augen …
Sie macht ihr Angst.
Aber das ergibt keinen Sinn.
Kat würde ihr niemals etwas tun. Oder doch?
Ist dir je in den Sinn gekommen, darüber nachzudenken, wie ich mich fühle?
Kat richtet ihren Kopf auf.
Stille liegt in der Luft.
Und Audrey wird klar:
Kat *hat* etwas dagegen, dass sie mit Jaxon geht.
Hör mal, tut mir leid, Kat.
Die Sache mit Jaxon …
Die ist einfach irgendwie passiert.
Du weißt, wie überzeugend er sein kann.
Interessant …
Von Jaxon klang das anders.
Kat tritt näher.
Und Audrey weicht erneut zurück und stößt dabei gegen den Küchentisch.
Jaxon meinte, dass DU es auf IHN abgesehen hattest.
Er meinte, du hast ihm gesagt, dass er mich verlassen soll.
Dass ich langweilig bin …
Und dass ich ihn nicht wie du zu schätzen weiß.
Audrey kann spüren, wie in ihren Wangen die Hitze aufsteigt.
D-das ist nicht wahr!
Er lügt!
Kat hält das Messer ins Mondlicht hoch …
Und tut so, als würde sie die Klinge prüfen.
Aber das spielt ja keine Rollte, oder?
Ihr habt mich beide hintergangen.
Audrey schluckt schwer.
Ich dachte, du hast nichts dagegen, Kat.
Tja, habe ich wohl.
Wozu hast du das Messer?
Moment. Warst DU es, die das Bild von mir beim Schlafen gemacht hat?
Kat lächelt Audrey an.
Doch ihre Augen sind kalt.
Wochenlang habe ich darunter gelitten …
Zu wissen, dass ihr beiden ein Paar wart.
Ich konnte nicht schlafen …
Ich konnte nicht essen …
Also verurteile mich ruhig dafür, noch etwas Spaß haben zu wollen, bevor alles aus ist.
Aus?
Audrey hat genug gehört.
Kat blockiert den Weg zur Wohnungstür …
Also flüchtet Audrey zurück die Treppe hinauf.
Sie rennt in ihr Schlafzimmer …
Schlägt die Tür zu …
Und schließt sie ab.
Audrey atmet schwer und schnell.
Schritte knarzen auf der Treppe.
Dann vernimmt sie ein schwaches Kratzen direkt vor der Tür.
Audrey begreift, dass es das Geräusch des Messers ist, wie es das Holz entlanggleitet.
Mach die Tür auf, Audrey.
Ich bin es nur, deine beste Freundin.
Bitte, tu es nicht, Kat! Es tut mir leid!
Ich finde, für Entschuldigungen ist es jetzt ein bisschen spät, meinst du nicht?
Audrey sieht sich nach ihrem Handy um –
Dann fällt ihr ein, dass sie es in der Küche fallen gelassen hat.
Sie ist gefangen.
Der Türknauf wackelt.
Kat versucht, das Schloss zu knacken.
Audrey rennt zum Fenster und stößt es auf.
Bis zum Boden geht es drei Stockwerke nach unten …
Doch sie hat keine Wahl.
Vielleicht kann sie einen Passanten auf sich aufmerksam machen.
Sie klettert aufs Dach hinaus.
Nicht so schnell, Audrey!
Audrey blickt zurück.
Kat klettert aus dem Schlafzimmerfenster.
Audrey bewegt sich schneller.
Doch der Kies ist nass vom Regen …
Und sie rutscht gefährlich in Richtung Dachrinne.
Sie schreit nach Hilfe.
Doch ihre Stimme verliert sich im Sturm.
Audrey blickt zurück.
Kat ist DIREKT HINTER IHR.
Das Messer erstrahlt im Mondschein.
Kat stürzt sich auf sie …
Audrey rollt sich weg und weicht ihr aus …
Bevor sie mit dem Fuß austritt –
Sodass Kat stolpert.
Kat springt über die Dachkante hinaus …
Und verschwindet in der Dunkelheit darunter.
Der Schock durchströmt Audreys Körper.
Ihre beste Freundin ist tot.
Tränen kommen ihr in die Augen.
Nichts davon hatte sie gewollt.
Dann hört Audrey eine Stimme.
Langsam kriecht Audrey zur Dachkante.
Und sieht Kat sich an der Dachrinne festklammern.
Hilf mir hoch, Audrey!
Die Sache ist aus dem Ruder gelaufen.
Du kannst Jaxon ganz für dich allein haben.
Du bist meine beste Freundin.
Wir hätten nie zulassen sollen, dass ein Kerl uns auseinanderbringt.
Ich will Jaxon nicht. Ich will DICH.
Audrey streckt eine Hand nach unten.
Und zieht mit ihrer ganzen Kraft.
Kat krabbelt zurück aufs Dach.
Sobald sie oben ist, hastet sie weit von der Kante weg.
Und lächelt Audrey an.
Danke, Audrey.
Das war übrigens wirklich so gemeint …
Du kannst Jaxon ganz für dich allein haben. Wie versprochen.
Du bist eine gute Freundin, Kat.
Audrey lächelt zurück.
Unglücklicherweise …
Habe ich dir nie versprochen, dass Jaxon am Leben sein würde.
Audreys Lächeln verschwindet aus ihrem Gesicht.
W-was?
Kat zieht ein Handy aus ihrer Hosentasche.
Es ist Jaxons.
Oh mein Gott …
Wieso hast Jasons Handy?
Entsetzen packt sie.
Warst DU das, mit der ich vorhin geschrieben habe?
Kat nickt.
Jaxon hat deine Wohnung nie verlassen, Audrey.
Der arme Kerl wollte nur mal die Toilette benutzen.
Da hat eine GANZ SCHÖNE Überraschung auf ihn gewartet:
Ein Messer in den Rücken.
Kat erhebt sich.
Bevor Audrey reagieren kann …
Stößt Kat Audrey gegen die Brust …
FESTE.
Audrey schreit …
Und rudert mit den Armen, während sie über die Dachkante stürzt.
Alles Gute dem glücklichen Paar!
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